Bryce Bennett stiehlt Marco Odermatt und Aleksander Kilde die Show (2024)

Der Amerikaner erweist sich in der Abfahrt von Gröden als der grosse Spielverderber. Sein Comeback folgt auf den totalen Absturz.

Remo Geisser, Gröden

3 min

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Bryce Bennett stiehlt Marco Odermatt und Aleksander Kilde die Show (1)

Aleksander Kilde und Marco Odermatt hatten sich bereits grinsend in die Arme genommen, waren zu den TV-Stationen gestapft und hatten in Interviews von ihrem grossen Duell um den Sieg erzählt. Da raste in ihrem Rücken ein Zwei-Meter-Mann die Piste runter, schwang ab und staunte: Sieg! Bryce Bennett war auferstanden.

Der Amerikaner ist ein Phänomen im alpinen Rennsport. Er ist noch einen Zentimeter länger als der Walliser Slalom-Hüne Ramon Zenhäusern, und man fragt sich, wie er es schafft, den Körper zu einer aerodynamischen Hocke zusammenzufalten. Er ist ein bekennender Powder-Freak, wenn der Neuschnee knietief liegt, tobt er sich am liebsten mit breiten Latten am Berg aus.

Die Saslonch ist für Bennett ein Spielplatz

Auch im Grödnertal hatte es geschneit, aber die vielen Helfer hatten die Rennpiste blitzblank geputzt, sie war hart und griffig. Und auch in diesem Zustand ist die Saslonch für Bennett ein guter Spielplatz. Mit seinen langen Beinen kann er die giftigen Wellen im Mittelteil abfedern wie kein anderer. Bereits 2021 hatte er in Gröden gewonnen.

Und doch hatte den 31-Jährigen diesmal niemand auf der Rechnung. Grund dafür war der Absturz, den er im vergangenen Winter erlebt hatte. Bennett fuhr plötzlich in der Kreisklasse und fiel aus den Top 30 der Weltrangliste. Mit der Nummer 34 startete er am Donnerstag, deshalb gaben Odermatt und Kilde bereits Interviews.

Der Norweger gewann in den vergangenen zwei Wintern die Abfahrtswertung im Weltcup, er wäre ein logischer Sieger gewesen. Als er aber merkte, dass Bennett ihn noch um drei Hundertstel geschlagen hatte, lachte er. Die Norweger bilden mit den Amerikanern eine Trainingsgemeinschaft, weil es logistisch sinnvoll ist, zwei kleine Teams zu einem mittelgrossen zusammenzufügen. Sie waren auch im November in Colorado gemeinsam unterwegs.

Dort hatte Kilde gesehen, dass Bennett sich wieder seinen guten Tagen näherte. Er möge es dem Skiriesen gönnen, dass er wieder vorne dabei sei. «Und für den Weltcup ist es gut, wenn auch die Amerikaner Rennen gewinnen.» Das bedeute allerdings nicht, dass er sich über seine Niederlage freue, sagte Kilde: «Ich will immer gewinnen.»

Am Ende entschieden Hundertstel: Bennett 0,03 Sekunden vor Kilde; Kilde 0,02 vor Odermatt. Der italienische Kraftbolzen Dominik Paris, der an diesem Tag zu den Geschlagenen gehörte, sagte, knappe Abstände seien normal in einem Babyrennen. Diesen despektierlichen Ausdruck wählte er, weil die Strecke verkürzt worden war.

Bryce Bennett hatte in Wengen Durst.

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Solche Massnahmen geben immer zu Diskussionen Anlass. In diesem Fall war die Verkürzung aber wohldurchdacht. Gröden hatte kurzfristig eine der in Zermatt abgesagten Abfahrten übernommen. Nun stehen in Südtirol in fünf Tagen fünf Rennen an, was insbesondere Allrounder wie Odermatt stark belastet. Deshalb wird nicht zweimal über die ganze Strecke gerast. Ausserdem behält so die eigentliche Gröden-Abfahrt vom Samstag ihren Status als Classique des Wintersports.

Der Sieger fragt am Ende ohnehin nicht, wie lange die Fahrzeit war. Ausserdem gilt in Gröden, dass auch auf der verkürzten Strecke die Herzstücke enthalten sind: Mauer, Kamelbuckel, Ciaslat. Letzteres ist der Name des welligen Mittelteils, in dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Bennett fuhr dort seine langen Stossdämpfer aus, und er profitierte mit seiner hohen Nummer davon, dass die Wiese nicht mehr im Schatten lag und er das Profil besser lesen konnte.

Odermatt wird Kilde weiter bedrängen

Es sind solche Kleinigkeiten, die im Spitzensport den Unterschied machen können. Odermatt fuhr die Ciaslat übrigens trotz Schatten deutlich schneller als Bennett, brachte den Ski aber bei der Ausfahrt nicht voll auf die Kante und verlor Tempo. Das kostete ihn den Sieg. Er sagte danach aber auch, wenn er irgendwo ein paar verlorene Hundertstel finde, dann schafften das auch Bennett und Kilde. Am Ende zählt das Resultat.

Das Ergebnis bestätigt, dass Odermatt auch in den Speed-Disziplinen in Topverfassung ist. Er dürfte Kilde in diesem Winter einen harten Kampf um die Vorherrschaft in der Königsdisziplin liefern. Der 26-Jährige darf sich ja Abfahrtsweltmeister nennen, im Weltcup aber hat er noch nie gewonnen.

Die nächste Gelegenheit bietet sich am Samstag – auf der Originalstrecke.

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